Fokus Interview
Die Forschung leistet einen wichtigen Beitrag für die Immobilienwirtschaft, ist Professor Dr. Peter Ilg, Leiter des Swiss Real Estate Institute der HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich, überzeugt. Ein Beispiel ist die Anwendung von Machine Learning in der Immobilienbewertung.
Interview: Ivo Cathomen, Fotos: Urs Bigler

Die Digitalisierung hat die Immobilien­wirtschaft voll erfasst. In einem aktuellen Forschungsprojekt beschäftigt sich das Swiss Real Estate Institute mit Machine Learning – mit welchen Erkenntnissen?

Machine Learning oder künstliche Intelligenz macht auch vor der Immobilienwirtschaft nicht Halt. Die Immobilienbewertung und namentlich hedonische Modelle in der Immobilienbewertung sind ein prädestiniertes Anwendungsfeld. Ziel des Projekts ist es zu testen, ob künstliche Intelligenz ein hedonisches Modell in der Bewertungsgenauigkeit schlagen kann. Wir haben dabei drei Verfahren der künstlichen Intelligenz gegen ein einfaches hedonisches Modell antreten lassen. Dabei hat sich gezeigt, dass neuronale  Netzwerke – also eine Form des Machine Learning – tatsächlich genauere Ergebnisse liefern.

Um wie viel waren sie treffsicherer?

Lag der geschätzte Verkaufspreis eines Eigenheims gemäss hedonischem Modell, bei 80 Prozent der Bewertungen maximal 23 Prozent neben dem effektiven Verkaufspreis, erzielte das neuronale Netzwerk eine maximale Abweichung von 22 Prozent. Ein nächster Schritt – wenn wir dafür Forschungsgelder auftreiben können – ist es, das neuronale Netzwerk zu verbessern.

Wie muss man sich die Methode des neuronalen Netzwerks vorstellen?

In einem traditionellen hedonischen Modell werden verschiedene Variablen – zum Beispiel der Quadratmeterpreis der Wohnfläche einer Eigentumswohnung – aufgrund von effektiv erzielten Werten von Vergleichsobjekten errechnet. Aufgrund dieser Durchschnittswerte wird dann der Verkaufspreis des neuen Objekts geschätzt. Bei diesem sogenannten Regressionsmodell wird von einem linearen Zusammenhang ausgegangen. Das heisst, es wird angenommen, dass der Verkaufspreis auch 10 Prozent höher ist, wenn eine Wohnung 10 Prozent mehr Wohnfläche hat. Unsere Hypothese ist, dass diese Linearität in der Kombination verschiedener Variablen nicht mehr existiert. Stellt man sich beispielsweise eine Eigentumswohnung in der Stadt Zürich vor, die ruhig, aber gleichwohl zentral gelegen ist, Seesicht und eine Grösse von 100 Quadratmetern hat, dann ist es denkbar, dass sich der Preis der gleichen Wohnung mit 120 oder 150 Quadratmetern nicht linear erhöht, sondern exponentiell. Das neuronale Netzwerk kann verschiedene Eigenschaften miteinander kombinieren und daraus Preise anhand einer exponentiellen Funktion errechnen. Wir vermuten darin den Grund, warum das neuronale Netzwerk genauere Ergebnisse liefern kann.

Wie kommt der Lerneffekt von Maschine Learning zum Ausdruck?

Beeindruckend ist, dass die Maschine das Berechnungsmodell selbst erstellt. Sie hat unser Regressionsmodell verworfen und selbstständig ein neues Modell entwickelt, ein sogenanntes Entscheidungsbaum-Modell. Die Maschine macht dabei die Verknüpfungen der Variablen selbstständig und findet die optimale Kombination der Variablen, um die Liegenschaft so genau wie möglich zu bewerten. Mit dem von ihr gewählten Entscheidungsbaum-Modell ist sie auch nicht mehr an die Linearität gebunden. Eine zweite Eigenheit ist, dass die Maschine durch neue Datensätze – also durch weitere Eigenheimverkäufe, bei denen wir den Verkaufspreis kennen und die wir ihr einspeisen – automatisch besser wird.

Lesen Sie das ganze Interview mit Peter Ilg: Immobilia, Januar 2021.