Immobilienpolitik
Vermieter von Geschäftsflächen sollten die Notwendigkeit von Mietzinssenkungen im eigenen Interesse auf der Grundlage einer einzelfallbezogenen, wirtschaftlichen und juristischen Abwägung klären.
Von: Ivo Cathomen

Unklarer Verhandlungsstand

Geschäftsmieter beklagen, dass sich Vermieter Verhandlungen über Mietzinssenkungen für die Dauer des behördlich verordneten Lockdown verschliessen. Für die erste Welle im Frühjahr 2020 waren gemäss dem Monitoringbericht des Bundesrats noch beachtlich viele Vereinbarungen getroffen worden. Dann schaltete sich das Parlament ein und brachte die Verhandlungen über privatrechtliche Vereinbarungen zum Erliegen. Dem Vernehmen nach wurden auch die verschiedenen kantonalen Unterstützungsmassnahmen für Vermieter und Mieter, die sogenannten Drittelslösungen, in weit kleinerem Umfang in Anspruch genommen als erwartet und budgetiert. Dabei wären diese Vereinbarungen für Vermieter und Mieter attraktiver gewesen als die Regelung gemäss Geschäftsmietegesetz.

Ob die Verhandlungen angesichts der zweiten Schliessungsperiode wieder aufgenommen worden sind, wird ein zweiter Monitoringbericht zeigen müssen. Die Erhebungen dazu sind derzeit in Vorbereitung. Viel mehr als Einzelfälle und Anek­doten sind gegenwärtig nicht bekannt. Es ist jedoch naheliegend, dass sich viele Vermieter die Frage stellen, ob den Mietern mit der Härtefallhilfe von Bund und Kantonen nicht hinreichend geholfen sei. Wie viel Geld, vor allem A-fonds-perdu-Beiträge, die Unternehmen erhalten werden, hängt angesichts der kantonalen Zuständigkeit vom Sitz der Mieter ab.

Gemäss der Covid-19-Härtefallverordnung belaufen sich die nicht rückzahlbaren Beiträge auf bis zu 20% des durchschnittlichen Jahresumsatzes 2018 und 2019 und auf höchstens 750 000 CHF pro Unternehmen. Jene Unternehmen, die seit dem 1. November 2020 während mindestens 40 Kalendertagen behördlich geschlossen wurden, insbesondere Restaurants, Bars und Discotheken sowie Freizeit- und Unterhaltungsbetriebe, gelten automatisch als Härtefälle. Andere Unternehmen haben den Härtefall zu belegen. Insgesamt dürfte der überragende Teil der Unternehmen Anspruch auf Härtefallhilfe haben, weil sie bereits in der ersten Welle schliessen mussten und nun wiederum Fixkosten wie Miete, Versicherungen, Serviceabos, Strom und dergleichen tragen müssen, ohne dass sie einen kostendeckenden Umsatz erzielen können.

Branchenabhängige Liegenschaftskosten

Ob die Fixkosten durch die Obergrenze der nicht rückzahlbaren Beiträge tatsächlich gedeckt werden, hängt von den Eigenheiten der Branche und Unternehmen ab. Im Schlussbericht «Geschäftsmieten: Strukturanalyse» im Auftrag des Bundesamts für Wohnungswesen kommt das Beratungsunternehmen Wüest Partner zum Ergebnis, dass die Liegenschaftskosten der befragten Unternehmen im Mittel 7% des Umsatzes eines Betriebs ausmachen. Bei Unternehmen mit Publikumsverkehr dürfte der Liegenschaftsanteil am Umsatz typischerweise höher oder sogar der Hauptkostenanteil ausmachen. Dass es sich bei den Härtefallhilfen allerdings um eine «Direktzahlungen an die Vermieter» handelt, wie dies von Mieterseite moniert wird, ist aber sicher nicht zutreffend.

Erhebliches Schadenspotenzial

Nichtsdestotrotz sind Vermieter gut beraten, genauer hinzuschauen und sich nicht pauschal auf den Standpunkt zu stellen, mit der Härtefallhilfe sei das Thema der temporären Mietzinsreduktion vom Tisch. Der SVIT Schweiz hat in dieser Frage von Beginn weg auf die Notwendigkeit einer wirtschaftlichen Beurteilung jedes einzelnen Falls hingewiesen und Instrumente dazu bereitgestellt. Denn der Konkurs eines Mieters hinterlässt unter Umständen eine Geschäftsfläche, die angesichts einer drohenden Flurbereinigung gerade in Bereichen wie Detailhandel, persönliche Dienstleistungen und Gastronomie schwer wieder zu vermieten ist. Ein Konkursverfahren mit Abschreibern und die Bemühungen um Wiedervermietung verursachen hohe Kosten, während Leerstände auf die Liegenschaftswerte drücken. Es kann also durchaus im Interesse des Vermieters sein, einem ansonsten überlebensfähigen Geschäftsmieter mit einer vorübergehenden Mietzinsreduktion unter die Arme zu greifen und damit den Mietzinsertrag der Fläche längerfristig zu sichern. Auch die Neuverhandlung des Mietvertrags ist aus dieser Warte nicht abwegig.

Es ist dabei übrigens legitim, dass Vermieter im Zusammenhang mit den Verhandlungen die Offenlegung der Umsatz- und weiteren Geschäftszahlen des Geschäftsmieters verlangen. Allerdings sollte man diese dann auch richtig zu interpretieren wissen, um daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen. Gerichtlich ist die Frage, ob die behördliche Schliessung einen Mangel an der Mietsache bedeutet, noch nicht geklärt. Auch dies sollte man in die Erwägung einbeziehen.