Das Parlament schickt sich an, mit dem Geschäftsmietegesetz in die Wirtschaftsfreiheit und die Eigentumsrechte einzugreifen. Der nun vorliegende Vorschlag des Bundesrats ist ein Verstoss gegen die Verfassung. Von Ivo Cathomen.

«Ich schwöre vor Gott dem Allmächtigen, die Verfassung und die Gesetze zu beachten und die Pflichten meines Amtes gewissenhaft zu erfüllen.» Der Eid auf die Verfassung müsste den Mitgliedern des Nationalrats und den neu gewählten Ständeräten noch in allerbester Erinnerung sein. Erst ein gutes halbes Jahr ist es her, seit sie ihre Schwurfinger dazu in die Höhe hielten. Es ist zu hoffen, dass sich die Parlamentarier in der Wintersession daran erinnern werden, wenn sie sich – nach aktuellem Zeitplan – über das Geschäftsmietegesetz beugen werden.

Der Bundesrat hatte in der politischen Diskussion über die befristete Mietzinssenkung für die vom Betriebs- und Publikumsöffnungsverbot betroffenen Unternehmen immer wieder auf bilaterale Vereinbarungen gepocht und erklärt, sich nicht in die privatrechtlichen Verträge einmischen zu wollen. Er lag in der Einschätzung über die Tragweite und Konsequenzen eines solchen Eingriffs absolut richtig. Entsprechend schwer ist es ihm nun auch gefallen, für die Umsetzung des parlamentarischen Auftrags eine Verfassungsgrundlage zu finden.

Der erläuternde Bericht zur Vernehmlassung spricht Bände: «Am ehesten kommt für eine verfassungsrechtliche Abstützung (Anmerkung: des Geschäftsmietegesetzes) Artikel 100 BV über die Konjunkturpolitik in Frage. Absatz 1 beauftragt den Bund mit ‹Massnahmen für eine ausgeglichene konjunkturelle Entwicklung, insbesondere zur Verhütung und Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und Teuerung›. Mit dieser weit gefassten Kompetenz soll die Konjunkturpolitik die gesamtwirtschaftliche Entwicklung beeinflussen.»

Dazu lohnt sich ein Blick in die Entstehung des Konjunkturartikels. In der Volksabstimmung vom 2. März 1975 lehnte die Mehrheit der Stände den Bundesbeschluss über den Konjunkturartikel der Bundesverfassung vom 4. Oktober 1974 ab. Die betreffende Revision des Art. 31 quinquies aBV hätte dem Bund die Kompetenz erteilen sollen, nicht nur Wirtschaftskrisen zu bekämpfen, sondern neu auch auf die konjunkturelle Entwicklung über weitreichende Instrumente Einfluss zu nehmen. Das wollte das Volk nicht. Damit hat auch das derzeit vorliegende Geschäftsmietegesetz keine Verfassungsgrundlage.