Immobilienrecht
Der Bau von Moscheen und Gotteshäusern ist in der Schweiz oft umstritten. Die Verfassung gibt vor: In jeder Gemeinde muss praktiziertes Kultusleben jeder Religion irgendwo möglich sein. Zwischen Religionsfreiheit und Bauzonenplanung – ein Überblick.
Von: Simon Schädler

Über Moscheen und Zonen

Der Bau islamischer Kultuszentren und Moscheen stösst in der Schweiz bekanntlich oft auf Skepsis und Widerstand. So auch in Winterthur, wo die Baubehörde dem örtlichen Islamischen Kulturverein grünes Licht für den Neubau seines Kultur- und Begegnungszentrums in der Industriezone gab. Prompt legte die W. AG gegen die Bewilligung Rekurs ein und gelangte ans Zürcher Baurekursgericht. Baurechtliche Streitigkeiten um die Errichtung von Gebets- und Gotteshäusern sind oft emotional und rechtlich delikat. Sie stehen in einem Spannungsfeld zwischen Religionsfreiheit und Bauzonenplanung. Der kürzlich ergangene Entscheid beleuchtet die im Konflikt stehenden Interessen anschaulich.

Der umstrittene Neubau des islamischen Kultur- und Begegnungszentrums sollte in der Winterthurer Industriezone I2, Empfindlichkeitsstufe IV, seinen Platz finden und Gewerbeflächen, Schulungsräume, ein Vereinslokal, einen Gebetsraum sowie eine Tiefgarage umfassen. Kein dezenter Gebetsraum also, sondern ein selbstbewusstes Projekt. Schliesslich soll der Begegnungsort künftig Raum für einen bunten Strauss an Aktivitäten bieten: Gebete fünf Mal pro Tag – je nach Wochentag und Festtagskalender für 40 und bis zu 300 Gläubige –, vielfältige soziale Aktivitäten, Religionsunterricht für die Kleinen, Führungen für Interessierte sowie Kulinarisches für Zentrumsbesucherinnen.

Keine Bauzone für Gotteshäuser

Gegen das Projekt ging die W. AG, Eigentümerin der unmittelbaren Nachbarparzellen, vor. Die Rekurrentin brachte vor, das Gebetshaus entbehre jeglicher Zonenkonformität, sei mangelhaft erschlossen und daher nicht baureif und bewilligungsfähig. Industrie- und Gewerbezonen seien für die Ansiedlung industrieller und gewerblicher Betriebe der Produktion, der Gütergrossverteilung, der Lagerhaltung und des Transports vorgesehen. Offensichtlich gehörten Moscheen und Gotteshäuser nicht dazu. Ferner seien Konflikte mit den neuen Nachbarn vorprogrammiert. Die Gläubigen suchten doch Ruhe und religiöse Besinnung, so ein durchaus bemerkenswertes Argument. Beides würde ihnen jedoch – umgeben von Industrielärm und Immissionen aller Art – verwehrt. Die Moschee würde zudem der Industrie Platz wegnehmen und notwendige Ausbauten verhindern. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb das islamische Kulturzentrum keine Heimat in der Wohn- und Quartiererhaltungs-, Zentrums- oder Kernzone oder in der Zone für öffentliche Bauten finde.

Zonenordnung und Religionsfreiheit

Glaubensgemeinschaften sind bei der Errichtung von Kultusräumen und Gotteshäusern regelmässig mit einem wiederkehrenden Grundproblem konfrontiert: Kommunale Nutzungspläne enthalten praktisch nie Bauzonen für Sakralbauten. Dies (teils) auch mit gutem Grund, denn die Städte wünschen eine flexible Durchmischung der Nutzung. Auch die Winterthurer Bauordnung kennt keine Zone für religiöse Gebäude. In der selbstbewussten und weltoffenen Stadt – «Winterthur ist hier, was Brooklyn in New York ist», so die Eigenwerbung – finden nur Bauten der Landeskirchen in der Kernzone und in der Zone für öffentliche Bauten ihren festen Platz.

Unbestritten ist: Der Wunsch nach dem eigenen Gotteshaus erfährt Schutz durch die verfassungsrechtlich garantierte Religionsfreiheit. Grundrechte verdienen bekanntlich auch im Baubewilligungsverfahren Beachtung. Nur weil Zonenpläne Bauten für Kultuszwecke nicht explizit vorsehen, können Baubewilligungen für Moscheen, Synagogen, Kapellen und Tempel nicht verweigert werden. Dies bedeutet, dass jede Baurechtsordnung so ausgelegt werden muss, dass religiöse Bauten irgendwo auf dem Gemeindegebiet möglich sind. Nichts zu regeln, befreit die Gemeinden also nicht davon, praktiziertes Kultusleben zu ermöglichen. Was seit 2009 (BGer 1C_366/2009 vom 30. November 2009) Leitplanke ist, heisst für Religionsgemeinschaften in der Praxis, dass sie nur in unspezifischen Nutzungszonen bauen können. Weil ihnen in Wohngebieten oft Angst vor Lärm oder Vorurteile entgegenschlagen, bleiben oft nur die Industriezonen.

Religion als Dienstleistung? – Durchaus!

Industrie- und Gewerbezonen dienen primär der Ansiedlung industrieller und gewerblicher Betriebe, wozu ein islamisches Begegnungszentrum offensichtlich nicht gezählt werden kann. Die Bau- und Zonenordnung Winterthurs gestattet in seiner Industriezone I2 nach Art. 59 Abs. 1 BZO aber ausnahmsweise auch Handels- und Dienstleistungsgewerbe. Religion als Dienstleistung – ist dies die Lösung des Problems?

Es galt für das Baurekursgericht also, Dienstleistungsgewerbe als Rechtsbegriff auszulegen, wobei die Richterschaft mit Blick auf die Historie rasch feststellte, dass dieser früh schon jede Art der Arbeitsplatznutzung und der «freien Berufe» mit meinte. Eine betriebswirtschaftliche Perspektive versteht unter Dienstleistungen «immaterielle Güter zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse». Also etwa Handelsgeschäfte, Banken und Versicherungen, wohl aber auch islamische Begegnungszentren. Auch der Wortlaut von § 56 Abs. 3 PBG enthält nichts Gegensätzliches. Schliesslich zeigt selbst die Rechtsprechung, dass Dienstleistungsbetriebe breit zu fassen sind. So verstand man bereits Off-Airport-Parkierungsanlagen (VB.2016.00472 vom 23. März 2017), Räume für Freitodbegleitungen (VB.2007.00472 vom 21. November 2007) und Tennisanlagen (RB 1994 Nr. 74) darunter − und übrigens auch Gotteshäuser der Zeugen Jehovas, evangelisch-freikirchlicher Christen sowie Anhänger der mazedonischen Kirche. Damit war das Verdikt klar und die Karten der Rekurrentin schlecht. Das islamische Kultur- und Begegnungszentrum ist als Dienstleistungsgewerbe in der Winterthurer Industriezone richtig.

Chaos im Industriequartier?

Die Rekurrentin brachte weiter vor, die geplanten Parkplätze seien für die vielen Gläubigen und Zentrumsbesucher unzureichend. Umso chaotischer werde es während des Ramadan. Zudem sei der Standort abgelegen und werde nur motorisiert erreicht, was widerrechtlich parkierte Autos und überforderte Parkplatzeinweiser zur Folge hätte. Chaos im Industriequartier. Zu Unrecht habe die Baubehörde das Grundstück als baureif qualifiziert.

Wie bereits die Baubehörde teilte das Baurekursgericht dieses Argument nicht. Die Baureife eines Baugrundstücks hänge nicht von der Anzahl Parkplätze ab. Ausreichende Zugänglichkeit heisse, dass eine verkehrssichere Zufahrt für die Fahrzeuge der öffentlichen Dienste und der Benützer garantiert sein müsse und nicht mehr. Schon gar nicht könne die Schaffung zusätzlicher Abstellplätze verlangt werden. Überdies sei das Zentrum mit öffentlichen Verkehrsmitteln, mit dem Velo und auch fussläufig erreichbar und parkieren könne man auch in der Umgebung. Die Parkplatzsituation stehe dem Projekt daher ebenfalls nicht im Wege, so das Baurekursgericht abschliessend. Damit wies es den Rekurs ab. Da dieser Entscheid nicht weiter angefochten wurde, steht dem geplanten Projekt im «Brooklyn Zürichs» nun nichts mehr im Wege.