Immobilienwirtschaft
Die STWE-Märkte zeigen sich vom Lockdown und der damit verbundenen Rezes­sion wenig beeindruckt. Falls keine erneuten massiven Einschränkungen auftreten, sollte dieser Markt gar ohne blaues Auge davonkommen.
Von Stefan Fahrländer

Wirtschaftsprognosen revidiert

Nach dem Schock des Lockdown und der Frühlings-Rezession ist während des Sommers Ruhe eingekehrt und die Wunden wurden geleckt. Die Konsumentenstimmung ist im Herbst 2020 wieder auf dem Niveau des vergangenen Winters und auch die «harten» konjunkturellen Vor­lauf­indikatoren stimmen positiv. Wie bereits im Jahr 2009 werden die anfänglich sehr negativen Wirtschaftsprognosen für 2020 wieder revidiert, und das Minus der Gesamtwirtschaft dürfte 2020 geringer ausfallen, als noch im Frühling befürchtet.

«Ausser Spesen nichts gewesen?», fragt sich der Marktbeobachter. Wahrscheinlich nicht, denn einige Branchen haben massiv gelitten und die zweite Welle diesen Herbst schlägt zumindest auf die Moral. Auch wenn keine erneuten massiven Einschränkungen der wirtschaftlichen Aktivitäten kommen sollten, werden dennoch weitere wirtschaftliche Bremsspuren erwartet. Bis sich die Exportwirtschaft erholt, dürfte noch viel Wasser den Rhein runterfliessen, und es ist zu befürchten, dass in den Grosskonzernen im Frühling 2020 Kosteneinsparprogramme angelaufen sind. Diese dürften erst jetzt im Herbst Wirkung zeigen. Es wäre schön und erwünscht, dass Ruhe einkehrt, aber zu viel Optimismus könnte sich als naiv erweisen.

Positive Erwartungen für den Stockwerkeigentumsmarkt

Die seit Jahren sehr tiefen Zinsen und die generell gut laufende Wirtschaft haben die Preise für Stockwerkeigentum (STWE) insbesondere im unteren und mittleren Segment in den vergangenen zwanzig Jahren praktisch ununterbrochen getrieben. Dies auch aufgrund einer gewissen Nachfrage seitens wohlhabender Privatpersonen, die Wohnungen nicht zum Eigengebrauch, sondern zu Vermietungszwecken gekauft haben. Dies hat zu steigenden Preisen geführt, sodass sich der Regulator zu mehreren Verschärfungen bei der Hypothekarvergabe entschlossen hat. Zudem erreichten die Preise in einigen Regionen ein derart hohes Niveau, dass die Erschwinglichkeit litt und gleichzeitig ein Grossteil der Neubautätigkeit in dieses Segment floss. Es kam entsprechend auch zu lokalen Überangeboten und Vermarktungsproblemen. Mit dem steigenden Anlagedruck seitens der Investoren, namentlich der Pensionskassen und Versicherungen, sind im Mietwohnungs-Geschäftsbereich die Verzinsungserwartungen in den vergangenen Jahren derart stark gesunken, dass sich die Differenz zwischen STWE- und Mietwohnungs-Marktpreisen geschlossen und teilweise gar gekehrt hat. Für eine Mietwohnung wird durch die Investoren aufgrund der tiefen Zinsen teilweise mehr bezahlt, als der Verkauf als STWE einbrächte. Dies hat wiederum eine verstärkte Umlenkung der Neubautätigkeit in den Mietwohnungs-Geschäftsbereich bewirkt, sodass in diesem Bereich heute an gewissen Lagen ein teilweise grosses Überangebot besteht, während das verringerte Angebot an STWE sich wiederum stützend auf die STWE-Preise auswirkt.

Wie die Mechanismen zeigen, ist eine Verstetigung der Entwicklungen wohl nicht zu erreichen, denn insbesondere aufgrund der langen Realisierungszeiten wirken sich Entscheide von heute erst in ein bis zwei Jahren auf die Märkte aus. Insgesamt präsentieren sich die STWE-Märkte im unteren und mittleren Segment generell robust und die Preiserwartungen sind verhalten positiv.

Anhaltende Probleme im gehobenen Bereich

Der Quadratmeterpreis einer STWE ist im Wesentlichen abhängig von der Lage. Hohe Zentralität bedeutet dabei einen hohen Quadratmeterpreis; wenn dieser durch einen gehobenen Ausbaustandard weiter erhöht wird und dann auch noch mit einer grossen Fläche zu multiplizieren ist, resultieren beachtliche Stückpreise. Es entsteht ein Problem, denn die Zahl der Haushalte mit einer entsprechenden Zahlungsbereitschaft ist begrenzt. Wenn die Preise die Millionengrenze übersteigen, sind zudem auch Einfamilienhäuser eine valable Konkurrenz. Weiter reagiert dieses Segment insgesamt sensibler auf Eingriffe und Krisen, wie die erhöhte Volatilität zeigt, denn es wird für ein solch hohes finanzielles Engagement ein gewisser Optimismus benötigt, was in schwierigen Zeiten zu Zurückhaltung und entsprechend sinkender Nachfrage führt.

Erneute Regulierung des Hypothekarmarktes?

Nach den verschiedenen (Selbst-)Regulierungen des Hypothekarmarktes durch die Schweizerische Bankiervereinigung, aber auch aufgrund der damaligen Aktivierung des antizyklischen Kapitalpuffers sowie eines reduzierten Risikoappetits der Hypothekargeber in den Hochpreisregionen wurde auf den Märkten das Preiswachstum gedämpft und insbesondere im gehobenen Segment gestoppt. Teilweise resultierten gar Preisrückgänge. Diese Wirkung blieb aber eine vorübergehende und bald kletterten die Preise, insbesondere auch aufgrund des guten Wirtschaftsgangs sowie der anhaltend tiefen Zinsen weiter. Angesichts der Lage in Europa, wo die Staatsverschuldungen und die Arbeitslosigkeit vielerorts noch einmal stark angestiegen sind, werden die Zinsen vorderhand tief bleiben. Auch in der Schweiz. Bei einer nachhaltigen Entspannung der gesamtwirtschaftlichen Lage in der Schweiz würde das tiefe Zinsniveau weiter preistreibend wirken.

Je nach weiterem Verlauf der Pandemie und der Wirtschaftsentwicklung sind deshalb weitere Regulierungen oder Verschärfungen der bestehenden Regulierungen nicht ausgeschlossen. Auch ist es denkbar, dass der im März 2020 deaktivierte antizyklische Kapitalpuffer wieder aktiviert werden könnte. Diese Instrumente dienen allerdings nicht der Feinsteuerung von Märkten, sondern der Finanzstabilität, sodass entsprechende Indikationen Voraussetzung wären.