Immobilienrecht
Die Corona-Krise stellt viele Verwalter von Stockwerkeigentum vor ungeahnte Fragestellungen und Probleme. Mittlerweile ist etwas Routine eingekehrt im Umgang mit der neuen Situation. Es ist an der Zeit, einen Überblick zu schaffen.
Von: Michel de Roche

Gesetzliche Grundlage

Auf der Basis des Covid-19-Gesetzes hat der Bundesrat unter anderem die Covid-19-Verordnung 3 erlassen. Diese wird nach wie vor laufend angepasst, soll jedoch – Stand heute – bis zum 31. Dezember 2021 gelten. Die Bewirtschafter interessierende Norm über Versammlungen findet sich aktuell in Art. 27. Zu diesem bestehen schon seit Frühling die FAQ zu Generalversammlungen. Gemäss diesen ist Art. 27 auch auf Stockwerkeigentümerversammlungen anwendbar, was zu Beginn der Corona-Krise noch umstritten war. Bewirtschafter stehen nun vor der Herausforderung, sich für die richtige Versammlungsform zu entscheiden. Deren Voraussetzungen sind nachstehend kurz zu skizzieren.

Klassische Versammlungen

Versammlungen mit physischer Präsenz können nach wie vor durchgeführt werden. Dies unter Vorbehalt von aktuellen Einschränkungen bezüglich Anzahl der Versammlungsteilnehmer und abhängig von genügend grossen Räumlichkeiten. Die Fachkammer Stockwerkeigentum (FKSTWE) hat für derartige Versammlungen gemeinsam mit dem SVIT Schweiz ein Schutzkonzept entworfen, welches auf den Websites der beiden Verbände abrufbar ist.

An physischen Versammlungen besteht die Möglichkeit, dass einzelne Stockwerkeigentümer sich durch jemanden vertreten lassen. Eigentümer können hierzu jedoch nicht gezwungen werden. Prüfenswert kann auch die schlichte Verschiebung der Versammlung sein, wobei zu beachten ist, dass viele Reglemente die Durchführung einer Versammlung innert einer bestimmten Frist verlangen. Zudem besteht von Gesetzes wegen eine Pflicht zur jährlichen Durchführung einer Versammlung. Wo sich jedoch keiner gegen eine Verschiebung oder gar eine Absage wehrt, wird niemand zur Durchführung einer Versammlung gezwungen.

Zirkularbeschlüsse

Nebst den klassischen Versammlungen besteht seit jeher die Möglichkeit, Zirkularbeschlüsse zu fassen. Diese müssen jedoch einstimmig erfolgen. Festzuhalten ist, dass die Gültigkeit von Reglementsbestimmungen, welche Mehrheitsbeschlüsse in Zirkularform zulassen, höchst umstritten ist.

Schriftliche Abstimmungen

Wie gesehen besteht bis Ende 2021 die Möglichkeit, die schriftliche Abstimmung anzuordnen. Dafür gelten die Quoren gemäss Reglement. Schriftliche Abstimmung setzt «Schriftlichkeit» voraus. Zwingend erforderlich ist damit das Vorliegen einer Unterschrift, die aber auch eingescannt werden kann. Im Zweifelsfalle ist das Originaldokument einer E-Mail mit einem Scan der Unterschrift per Post nachzusenden. Möglich ist auch die qualifizierte elektronische Signatur. Um das Element der Unterschrift zu umgehen, kann der Stockwerkeigentümer jedoch – reglementarische Einschränkungen vorbehalten – eine Drittperson ohne Einhaltung der Schriftform bevollmächtigen, das Stimmrecht für ihn auszuüben. Bevollmächtigt also ein Stockwerkeigentümer per E-Mail zum Beispiel den Bewirtschafter, so kann dieser danach gültig das Stimmrecht für den Vollmachtgeber schriftlich ausüben. Die Auszählung der schriftlich abgegeben Stimmen erfolgt am Datum der Versammlungsansetzung. Verspätet eingetroffene Stimmen dürfen nicht berücksichtigt werden.

Elektronische Versammlungen

Bei der Durchführung von Telefon- oder Videokonferenzen bestehen verschiedene zwingende Voraussetzungen. Der Bewirtschafter muss sicherstellen, dass er jeden Teilnehmer identifizieren kann. Jeder muss die Möglichkeit haben, sich zu äussern und die Voten anderer Teilnehmer zu hören. Schliesslich muss jeder abstimmen können. Um dies nachvollziehbar zu machen, wird der Einzelaufruf bei Abstimmungen empfohlen.

Festzuhalten ist an dieser Stelle, dass der Bewirtschafter nicht dafür verantwortlich ist, dass jedermann technisch fähig ist, sich an einer elektronischen Versammlung zu beteiligen. Jeder muss selbst für eine stabile Internetleitung und funktionierende Technik sorgen. Fliegt also jemand während der Versammlung aus der Konferenz, weil zum Beispiel der Akku seines Computers leer ist, ist er selbst dafür verantwortlich und kann sein Stimmrecht nicht nachträglich ausüben oder den Beschluss deswegen gar erfolgreich anfechten.

Gemeinsame Regelungen

Bei der Anordnung einer der beiden ausserordentlichen Versammlungsformen sind formelle Regelungen zu beachten: Der Bewirtschafter muss die reglementarische Einladungsfrist einhalten. Nur die Anordnung der schriftlichen Abstimmung, bzw. elektronischen Versammlung kann bis zu vier Tage vor der Versammlung erfolgen. Für die Einhaltung dieser Frist ist das Datum der Absendung relevant. Im Nachgang zur Versammlung ist wie üblich ein Protokoll zu erstellen und an die Stockwerkeigentümer zu versenden.

Für die in einer ausserordentlichen Form zu fassenden Beschlüsse gelten dieselben Quorenbestimmungen wie bei normalen Versammlungen. Dies hat nach Auffassung des Autors auch für Anwesenheitsquoren zu gelten. «Nichtreaktionen» von Stockwerkeigentümern können demgemäss nicht als teilnehmende Stimmenthaltungen gewertet werden. Wermelinger vertritt demgegenüber in einer noch nicht publizierten Lehrmeinung die Auffassung, dass die Beschlussfähigkeitsbestimmungen gemäss Art. 712p ZGB im Rahmen von Abstimmungen gemäss Covid-19-Verordnung 3 eher nicht gelten, sodass auch Abstimmungen gültig zustande kämen, welche eine bei ordentlichen Versammlungen ungenügende Stimmbeteiligung gehabt hätten.

Selbstverständlich besteht auch die Möglichkeit, eine schriftliche Abstimmung mit einer vorgeschalteten Video-/Telefonkonferenz zu Informationszwecken zu kombinieren. Dies ermöglicht einerseits den Austausch von Informationen und Meinungen, stellt anderseits sicher, dass auch Teilnehmer ihre Stimmrechte ausüben können, welche weder über die Zeit noch die technischen Fähigkeiten verfügen, sich an der elektronischen Konferenz zu beteiligen.

Festzuhalten ist, dass die Anordnung der ausserordentlichen Versammlungsart im Ermessen des Bewirtschafters steht. Hat der Bewirtschafter eine Anordnung getroffen, so besteht gegen diese kein Rechtsmittel. Ein mit der Art der Versammlung unglücklicher Stockwerkeigentümer kann die dann gefassten Beschlüsse zwar anfechten, wird aber allein mit dem Argument, dass der Bewirtschafter eine bestimmte Art der Versammlung angeordnet hat, keinen Erfolg haben.