Im Rahmen einer juristischen und einer empirischen Studie sowie den zusammenfassenden Erkenntnissen und Empfehlungen im Auftrag der Bundesämter für Raumentwicklung ARE und Wohnungswesen BWO wurden einerseits die Verfahren und Rechtsmittel im öffentlichen Baurecht auf Hindernisse im Baubewilligungsprozess untersucht. Anderseits wurden rund 440 Personen aus den Bereichen Bauherrschaft, Entwicklung, Architektur sowie Juristen aus Anwaltskanzleien, Verwaltung, Hochschulen und Gerichten zu Gründen für die Verzögerung und Verhinderung von Projekten, Auswirkungen und Lösungsansätzen befragt.
Die empirische Studie der Autoren Christian Brütsch und Joëlle Zimmerli offenbart das breite Arsenal der Einsprecher und Rekurrenten, aus dem die eine oder andere Begründung praktisch immer verfängt (siehe Grafik). Die befragten Fachpersonen wüssten auch, wie man dem Problem missbräuchlicher Einsprachen Herr werden könnte: durch Auferlegung von Kosten – es werden vereinzelt absurde Verfahrenskosten für die Einsprecher von 50'000 CHF gefordert –, Schadenersatz wegen Bauverzögerung, Einschränkung der Beschwerdeberechtigten, Erhöhung der Kosten für Einsprachen/Beschwerden, Lockerung Ortsbildschutz/ISOS und vieles mehr. Die Kollateralschäden der meisten dieser Massnahmen wären jedoch enorm, viele widersprechen dem Rechtsschutz berechtigter Einwände oder greifen in die Eigentumsrechte Betroffener ein. Die beiden Autoren betonen im Weiteren, dass Einsprachen und Rekurse bei weitem nicht die einzigen Hürden für die Bereitstellung von Wohnraum sind. Not täte aus ihrer Sicht eine Rückbesinnung und Justierung der vorhandenen Instrumente, die Stärkung der qualitätssichernden Verfahren oder die Korrektur von einsprachefreundlichen Bundesgerichtsentscheiden mit Wiedereinführung der rügespezifischen Legitimation. Hinzu kommen aus Sicht des SVIT Schweiz die inakzeptabel langen Behandlungsfristen durch die Bewilligungsbehörden, die erst die verzögernde oder verhindernde Wirkung von missbräuchlichen Einsprachen und Rekursen entfalten lassen, die mangelnde fachliche Kompetenz von Entscheidungsträgern auf kommunaler Ebene sowie ausufernde und teilweise sogar widersprüchliche Bauvorschriften.
Meinrad Huser, Spezialist für Bau- und Immobilienrecht und Autor des juristischen Studienteils, setzt in seinen Empfehlungen nebst verfahrensökonomischen und ressourcenspezifischen Aspekten unter anderem bei den Rechtsmitteln an. Den Empfehlungen kann aus Sicht des SVIT Schweiz nur teilweise gefolgt werden. Einfach mehr Ressourcen – Personal und Geld – in ein wenig effizientes System zu pumpen, löst die grundlegenden Probleme ebenso wenig, wie Verfahrensschritte im Bewilligungsprozess zu eliminieren. Einen Verzicht auf das Einwendungsverfahren vor dem Bewilligungsentscheid, wie ihn gewisse Kantone kennen, lehnt der SVIT ab – ebenso den Ausschluss von Einsprachen und Rechtsmitteln gegen Sondernutzungspläne, das Wegfallen der aufschiebenden Wirkung, die Qualifizierung der fehlenden Einspracheberechtigung als Missbrauch, die Schadenersatzpflicht oder die Einführung eines neuen Straftatbestands, um nur einige weitere Empfehlungen zu nennen.
Dass in den Kantonen bis zu 38% (Kanton Tessin) der Beschwerdeverfahren auf oberster kantonaler Ebene mit einer Gutheissung oder teilweisen Gutheissung enden, ist ein Indiz dafür, dass eine nicht zu vernachlässigende Zahl von Einsprachen und Rekurse unter der aktuellen Baugesetzgebung berechtigt zu sein scheint, und wirft die Frage auf, wie gut die Arbeit auf der Behördenebene gemacht wird. Ob die Baugesuchsteller den Ausgang der Verfahren als positiv erachten oder nicht (eine Frage im Rahmen der empirischen Studie), ist eine Sicht der Dinge. Eine andere ist, dass durch einen Kahlschlag Eigentums- und Grundrechte von Betroffenen, namentlich Nachbarn, tangiert würden. Der SVIT Schweiz ruft die Adressaten der Studien dazu auf, angesichts der vielschichtigen Zielkonflikte mit Augenmass und Umsicht an eine allfällige Korrektur des öffentlichen Baurechts heranzugehen.
Studien ARE/BWO zum öffentlichen Baurecht (01.07.25)