«Der Schweizer Mietwohnungsmarkt steht erst am Anfang der Knappheit. Die Planung neuer Wohnungen in Mehrfamilienhäusern steuert auf einen historischen Tiefstand zu. Die ökologische Aufwertung des Bestandes bindet viel Kapital und Kapazitäten. Bestehende Wohnungen werden systembedingt ineffizient genutzt. Das Raumplanungsgesetz lenkt neue Entwicklungen an Orte mit teurem Bauland, komplizierten Planungsverfahren und langen Bewilligungszeiten. Kumuliert gefährden diese Entwicklungen die Grundversorgung mit Wohnraum.» – so lässt sich die Untersuchung von Prof. Dr. Christian Kraft, Universität Luzern, kurz und knapp zusammenfassen. Die Ergebnisse der Untersuchung hat er im Blog-Beitrag «Wachsende Knappheit und ineffiziente Nutzung von Wohnraum: Ein Makroblick auf die soziale Nachhaltigkeit des Wohnungsmarktes» publiziert.
Die Erkenntnis einer sich verschärfenden Knappheit begründet er insbesondere mit dem Volumen von 35´800 neu geplanten Wohnungen in Mehrfamilienhäusern in der 12-Monate-Periode bis Juli 2023. Der Wert nähert sich einem historischen Tief und liegt zuletzt 23% unter dem Niveau von 2018 und 15% unter dem langjährigen Mittel seit 2009.
Interessant ist auch, dass das schwächelnde Bauvolumen in einem deutlichen Kontrast zur Bausumme steht, also jenem Wert, den Planer und Eigentümer als Summe der Gesamterstellungskosten in der Baueingabe notieren. Die Bausumme der Baugesuche im Neubau ist über den gleichen Zeitraum der Beobachtungsperiode 2018 bis 2023 nahezu konstant. Es wird also nicht weniger investiert. Aber aus dem investierten Kapital resultiert heute ein rund 20% tieferer «Output» an Wohnungen. Die Ursache ist darin begründet, dass die Stückkosten der Wohnungen markant angestiegen sind. So schätzen Planer und Bauherren gemäss Baueingaben die durchschnittlichen Erstellungskosten einer Wohnung heute auf 600´000 CHF. Im Jahr 2018, bevor die Materialpreissteigerungen aufgrund internationaler Bauaktivität, Lieferkettenprobleme und Energieknappheit einsetzte, wurde noch mit Durchschnittskosten von 472´000 CHF kalkuliert.
Dabei verteuern nicht isolierte Einzelfaktoren den Wohnraum, sondern eine Kumulation verschiedener, zum Teil interagierender Entwicklungen. Durch das im Raumplanungsgesetz erklärte Ziel der Innenentwicklung entstehen unter anderem zusätzliche Komplexitäten im Planungsprozess, Einspracherisiken und längere Bewilligungszeiten. Denn im dichten Raum zu bauen ist komplexer als auf der grünen Wiese, und das Bauland ist an nachfragestarken urbanen Lagen signifikant teurer. Dazu kommt, dass viel verfügbares Kapital zur ökologischen und qualitativen Aufwertung des Bestandes eingesetzt wird.
Die Versorgung mit neuem Wohnraum steht somit vor grossen Herausforderungen – besonders unter Berücksichtigung des seit 2022 starken Bevölkerungswachstums. Die effizientere Nutzung bestehender Wohnungen ist dabei eine wichtige Lösungskomponente. Doch durch den «Lock-In-Effekt» des geltenden Mietrechts wird eine effiziente Allokation von Wohnraum verhindert.