SVIT Schweiz
Veröffentlicht am 11. Januar 2024

«Erschütterung der Vermutung der Missbräuchlichkeit»

Nachdem das Bundesgericht in seinem Entscheid 4A_183/2020 vom 6. Mai 2021 das Urteil der Zürcher Vorinstanz umgestossen, und ein Privatgutachten zur Orts- und Quartierüblichkeit von SVIT und Swiss Real Estate Institute als hinreichend anerkannt hatte, die Vermutung der Missbräuchlichkeit des Anfangsmietzinses zu erschüttern, musste sich das oberste Gericht nochmals mit dem Fall auseinandersetzen. Es bekräftigt seinen früheren Entscheid in Urteil 4A_121/2023 vom 29. November 2023 und stützt die Argumentation der Vermieterin vollumfänglich. Diese hatte nach knapp 20-jährigem Vormietverhältnis den Anfangsmietzins um 44% heraufgesetzt und sich auf die Orts- und Quartierüblichkeit berufen.

Wir erinnern uns: Im Urteil des Bundesgericht 4A_183/2020 vom 6. Mai 2021 (teilweise publiziert in BGE 147 III 431) hat das oberste Gericht das «Gutachten Orts- und Quartierüblichkeit» des SVIT und des Swiss Real Estate Institute als hinreichend anerkannt, die Vermutung der Missbräuchlichkeit des Anfangsmietzinses zu erschüttern. Es ging in diesem ersten Instanzenzug um eine Anfechtung des Anfangsmietzinses für eine 2-Zimmer-Wohnung in Zürich durch eine Mieterin. Die Vermieterin hatte den Mietzins auf 1060 CHF angesetzt. Der Mietzins der Vormieterin hatte sich auf 738 CHF belaufen, wobei es sich dabei um ein knapp 20-jähriges Mietverhältnis ohne nennenswerte Mietzinsanpassungen gehandelt hatte. Die Vermieterin hatte die Mietzinserhöhung mit einer Anpassung an die orts- und quartierüblichen Verhältnisse begründet. Die Mieterin war an die Schlichtungsbehörde gelangt mit dem Begehren, den Anfangsmietzins für missbräuchlich zu erklären. Im Verfahren reichte die Vermieterin das Privatgutachten vom SVIT und Swiss Real Estate Institute mit 23 Vergleichsobjekten ein, die hinsichtlich Lage, Grösse, Bauperiode, Ausstattung und Zustand mit der betreffenden Wohnung vergleichbar waren und für die durchwegs höhere Mietzinse bezahlt wurden.

Das Bundesgericht hob im besagten Urteil den Entscheid des Obergerichtes auf und wies den Fall zur Neubeurteilung an die Vorinstanzen zurück. Die Vorinstanzen schafften es, wie sich jetzt zeigt, aber nicht, die Vorgaben des Bundesgerichtes sinnvoll umzusetzen, stellten erneut fest, dass der Anfangsmietzins missbräuchlich sei und legte diesen auf 855 CHF fest.

Die Vermieterin zog den Entscheid des Obergerichts wiederum an das Bundesgericht weiter. Dieses hat nun im Urteil 4A_121/2023 vom 29. November 2023 den Entscheid des Obergerichts erneut aufgehoben. Es erwog, die Vorinstanz habe die Anforderungen an die Zahl und die Parameter der Vergleichsobjekte zu hoch angesetzt. Es wies dabei nochmals auf seinen ersten Rückweisungsentscheid. Um begründete Zweifel an der Richtigkeit der Vermutung zu wecken, sei beispielsweise denkbar, dass die Vermieterin Statistiken hinzuziehe, selbst wenn diese den Anforderungen gemäss Art. 11 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 VMWG nicht durchwegs genügen sollten bzw. es sich dabei nicht um amtliche Statistiken handle. Unter Umständen möge es ausreichen, dass die Vermieterin bloss 3 oder 4 Vergleichsobjekte aufführe, sofern beispielsweise zusätzlich eine Statistik, selbst wenn diese den Anforderungen gemäss VMWG nicht durchwegs entspreche, oder andere Faktoren die Orts- und Quartierüblichkeit indizierten. Auch sei an die Vergleichbarkeit der Objekte betreffend die relevanten Kriterien nicht der gleich strenge Massstab wie beim eigentlichen Nachweis der Orts- und Quartierüblichkeit anzulegen. Gehe es doch in diesem Schritt nur darum, begründete Zweifel an der Richtigkeit der Vermutung der Missbräuchlichkeit zu wecken.

Das Gericht schreibt in seinen Erwägungen wörtlich: «Es muss daher ausreichen, wenn Vergleichsobjekte, die offensichtlich nicht mit dem Referenzobjekt vergleichbar sind, vom Vergleich ausgeschlossen werden können.» (E. 4.4.2). Das Bundesgericht hat damit klargestellt, dass alle Vergleichsobjekte, die die Vergleichbarkeitskriterien (Lage, Grösse, Ausstattung, Zustand und Bauperiode) erfüllen, auch dann geeignet sind, die Vermutung der Missbräuchlichkeit des Anfangsmietzinses zu erschüttern, wenn sie diese Kriterien nur annähernd erfüllen. Die Anforderungen für die Vergleichbarkeit sind damit deutlich niedriger als beim strikten Nachweis der Orts- oder Quartierüblichkeit.

Aufgrund der langen Verfahrensdauer entschied das Bundesgericht in der Sache gleich selber und legte den von der Vermieterin bei Vertragsbeginn bestimmte Mietzins von 1060 CHF netto pro Monat als nicht missbräuchlich fest.

Dieser Entscheid wird nach Ansicht des SVIT Schweiz bis auf die Stufe der Schlichtungsstelle hinunter seine Wirkung entfalten. Die von der Vermieterseite beigebrachten Vergleichsobjekte können nun nicht mehr so einfach als «nicht vergleichbar» abqualifiziert werden.

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