Immobilienpolitik
Die Diskussion um das Geschäftsmietegesetz ist zu einem ideologischen Grabenkrieg verkommen. Das zeigt die aktuelle Diskussion im Parlament. Leidtragende sind die betroffenen Vertragsparteien.
Von Ivo Cathomen

Einmischung durch das Parlament

Die Probleme mit den Geschäftsmieten haben nicht mit dem Lockdown im Frühjahr, sondern erst mit der Einmischung des Parlaments begonnen. Zu diesem Schluss kommt, wer den Monitoringbericht des Bundesrats liest. «Die Mehrheit der Mietparteien haben die Verantwortung für das eigene Unternehmen wahrgenommen und haben eine entlastende Lösung gesucht – und mehrheitlich auch gefunden. Einigungen kamen wesentlich häufiger zustande als Nichteinigungen – dies gilt sowohl für die Mieter- wie die Vermieterseite.

Der allergrösste Teil der Einigungen kam vor den Parlamentsentscheiden vom Juni 2020 zustande. In nahezu drei von vier Fällen handelte es sich bei den Einigungen um Mietzinsreduktionen.» Danach ging auf der Verhandlungsebene praktisch nichts mehr. Stattdessen fokussierte sich die Mieterseite auf den parlamentarischen Weg und verschloss sich der Diskussion in der vom Bundesrat eigens dafür eingesetzten Taskforce.

Die Abneigung des Bundesrats, sich in die privatrechtlichen Vertragsverhältnisse einzumischen, ist geblieben. Sie kommt auch in der Botschaft zum Geschäfsmietegesetz zum Ausdruck, in der er auf einen Antrag auf Zustimmung zum Gesetzes­entwurf verzichtet. Die Regierung stützt sich nicht zuletzt auf den Monitoringbericht, den sie Anfang Oktober zusammen mit einer Strukturanalyse und Umfrageergebnissen vorgelegt hat.

Die Strukturanalyse von Wüest Partner des Markts der Geschäftsmieten kommt zum Schluss, dass das Volumen der Geschäftsmieten in der Schweiz auf 2 Mrd. CHF pro Monat aus 390 000 Mietverträgen geschätzt wird. Davon entfallen rund 900 Mio. CHF auf Büroflächen, 500 Mio. CHF auf Gewerbe und Industrie, 400 Mio. CHF auf Verkaufsflächen und 200 Mio. CHF auf gastgewerbliche Nutzungen. Zusätzlich zu den 390 000 Mietverhältnissen betreiben rund 60% der Unternehmen ihr Geschäft in einer eigenen Liegenschaft.

Für die Zeit vom 17. März bis am 26. April 2020 belaufen sich die Mietzinse der betroffenen Geschäftsliegenschaften auf monatlich 530 Mio. CHF. Betroffen sind rund 113 000 Mietverhältnisse. Dies entspricht 27% des gesamten Mietvolumens, wobei die Betroffenheit bei den persönlichen Dienst­leistungen (95%) in der Gas­tronomie (81%), der Beherbergung (61%) und im Detailhandel (58%) besonders ausgeprägt ist.

Die Umfrage von gfs.bern zeigt auf, dass der Anteil der Mieter, die im Zusammenhang mit den verordneten Schliessungen Schwierigkeiten hatten, ihre Miete zu bezahlen, in den Wochen des Lockdown von 6 auf 33% gestiegen ist. Ausgeprägt ist dieser Anstieg in der Westschweiz und im Tessin. Auch nahmen die Mietzinsausfälle und Zahlungsverzögerungen zu.

Von Mieterseite wird ihr bewährtes Bild vom mächtigen Vermieter – am besten wirkt die Bezeichnung «Immobiliengesellschaft» oder «Immobilienfonds» – und dem unterlegenen Mieter ins Feld geführt. Auch wenn 24% der Vermieter in der gfs.bern-Umfrage die Antwort schuldig blieben: Ein Drittel der Vermieter vermietet ein einziges Objekt als Geschäftsraum. Weitere 31% vermieten zwischen zwei und zehn Objekte. Nur 12% vermieten elf oder mehr Objekte. Der Median liegt bei zwei Objekten. Angesichts der geringen Anzahl vermieteter Objekte entfällt auch nur bei 24% der Vermieter die Vermietung von Geschäftsräumen auf die Haupttätigkeit des Unternehmens.

Erfolgreicher Verhandlungsweg

Insgesamt berichten 50% der Mieter, dass sie entweder den Vermieter um ein Entgegenkommen bei der Miete während des Lockdown angefragt haben oder von ihrem Vermieter ein entsprechendes Angebot erhalten haben. Bei 40% aller Mieter fand kein solcher Kontakt statt. Typischerweise waren dies Unternehmen, die eher keine Probleme mit den Mietzinszahlungen aufgrund Corona hatten. 8% der Mieter befanden sich zum Zeitpunkt noch in Verhandlungen.

Schlüsselt man die Gruppe der Mieter, die den Vermieter um ein Entgegenkommen bei der Miete angefragt haben oder seitens des Vermieters angesprochen wurden und die Verhandlungen abgeschlossen haben, weiter auf, ergibt sich in 62% der Fälle eine erfolgreiche Einigung. Nur in etwas mehr als einem Drittel (38%) der Verhandlungsgespräche erfolgte keine Einigung in der Mietfrage. Die erfolgten Verhandlungen waren dabei überaus erfolgreich, denn in 93% der Fälle, in denen es zu Verhandlungsgesprächen kam, konnte eine Einigung erzielt werden. Die Einigungen fanden zu 90% vor dem Entscheid des Parlaments von Anfang Juni statt. Am häufigsten als Lösung wurde ein Abschlag auf die betreffenden Monatsmieten genannt (68%), gefolgt von einem Erlass von Monatsmieten, Stundungen und andere Formen der Mietzinsanpassung. Bei Mietzinssenkungen wurden in 45% der Fälle eine Reduktion um 21 bis 50%, in 21% eine solche um 51 bis 99% und in 15% der Fälle eine Reduktion um 100% vereinbart.

Blick über die Grenzen

Der internationale Vergleich ergab, dass trotz unterschiedlichen Ansätzen bei der Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Covid-Pandemie auch Gemeinsamkeiten festzustellen sind. Bei den Massnahmen zugunsten der von den Schliessungen betroffenen Einrichtungen und Betrieben setzten die meisten europäischen Staaten auf eine Unterstützung zur Deckung der Fixkosten. In vielen Staaten wurden diese Fixkostenzuschüsse als «A fonds perdu»-Beiträge ausgestaltet – dies mit dem Ziel, die Liquidität der betroffenen Geschäfte zu stützen. Zu mietrechtlichen Eingriffen kam es eher selten, und wenn, handelte es sich um Verlängerungen von Zahlungs- oder Kündigungsfristen. Gesetzlich ­verordnete Mietzinssenkungen sind in den elf betrachteten Staaten nicht festzustellen. In mehreren Staaten (namentlich Niederlande, Frankreich, Deutschland) haben sich die betroffenen Dachverbände auf Empfehlungen im Umgang mit den Geschäftsmieten geeinigt, zum Teil auch mit staatlicher Vermittlung.

Der Monitoringbericht zeigt, dass das Geschäftsmietegesetz nicht nur in der Schweizer Geschichte, sondern auch im Vergleich zum Ausland seinesgleichen sucht. So falsch können unsere Nachbarn wohl nicht liegen.