Immobilienrecht
Am 3. März 2020 entschied das Bundes­gericht in letzter Instanz, dass ein renitenter Stockwerkeigentümer aus einer Stockwerkeigentümergemeinschaft ausgeschlossen wird. Er wurde verpflichtet, seine Wohnung innert 60 Tagen zu verkaufen.
Von Michel Roth

Rechtliche Einordnung

Das Stockwerkeigentum ist in den Art. 712a–712t ZGB sehr ausführlich geregelt. Trotzdem findet sich dort keine Norm, welche sich über die Möglichkeit ausspricht, einen Stockwerkeigentümer aus der Gemeinschaft auszuschliessen. Vielmehr befindet sich die rechtliche Grundlage für den Ausschluss von Stockwerkeigentümern in den Bestimmungen zum Miteigentum, genauer in Art. 649b und 649c ZGB. Ein Ausschluss eines Stockwerkeigentümers aus der Stockwerk­eigentümergemeinschaft ist demnach zulässig, die Voraussetzungen dafür sind allerdings streng. Aufgrund der Tatsache, dass diese Massnahme einer privatrechtlichen Enteignung des Stockwerkeigentümers gleichgestellt werden kann, darf sie nur die Ultima Ratio sein. Vorausgesetzt ist nach Art. 649b Abs. 1 ZGB, dass der fehlbare Stockwerkeigentümer seine Verpflichtungen gegenüber der Gemeinschaft oder einzelnen Mitberechtigten so schwer verletzt hat, dass diesen eine Fortsetzung der Gemeinschaft nicht mehr zugemutet werden kann.

Diese allgemein gehaltene Beschreibung der Ausschlussgründe ist von den Gerichten mit Blick auf den Einzelfall zu konkretisieren, wobei die Respektierung des Eigentums sowie der Persönlichkeitsrechte der übrigen Stockwerkeigentümer als zentrale Verpflichtungen eines Stockwerkeigentümers anzusehen sind. Das Bundesgericht führte etwa in BGE 94 II 17 aus, dass die Voraussetzungen für den Ausschluss dann erfüllt sind, wenn sich jemand andauernd streitsüchtig, gewalttätig und arglistig zeigt, das friedliche Zusammenleben und den nachbarlichen Verkehr verhindert und auf diese Weise die Persönlichkeitsrechte der übrigen Stockwerkeigentümer verletzt.

Gewillkürte Abweichungen

Die Möglichkeit des Ausschlusses eines Stockwerkeigentümers ist oftmals auch im Reglement der Stockwerkeigentümergemeinschaft festgeschrieben. Das Reglement kann etwa abweichend von Art. 649b Abs. 2 ZGB festsetzen, welche Quote der Zustimmung es benötigt, um ein Ausschlussverfahren gegen einen Stockwerkeigentümer einzuleiten. Hingegen ist es nicht zulässig, die Möglichkeit des Ausschlusses wegzubedingen, da es sich dabei um zwingendes Recht handelt. Heisst das Gericht die Klage auf Ausschluss eines Stockwerkeigentümers aus der Gemeinschaft gut, so verurteilt es diesen unter Ansetzung einer angemessenen – eher kurzen, da das Interesse der übrigen Stockwerkeigentümer höher zu gewichten ist – Frist zur Veräusserung seines Anteils. Für den Fall, dass der verurteilte Stockwerkeigentümer seinen Anteil nicht innert Frist veräussert, ordnet das Gericht die öffentliche Versteigerung an. Mit der Veräusserung seines Anteils scheidet der Stockwerkeigentümer sodann aus der Gemeinschaft aus.

Umstände des Einzelfalls

In dem konkreten Fall bestand die Stockwerkeigentümergemeinschaft aus 15 Mitgliedern. Einer der Stockwerkeigentümer lag dabei seit Jahren mit sämtlichen der 14 übrigen Stockwerkeigentümern im Streit, was zu zahlreichen zivil- und strafrechtlichen Auseinandersetzungen geführt hatte. Zudem musste die Stockwerkeigentümergemeinschaft diverse Forderungen gegenüber besagtem Eigentümer auf dem Betreibungswege geltend machen. In der ausserordentlichen Stockwerkeigentümerversammlung vom 12. März 2015 fasste die Gemeinschaft sodann den Entschluss, den renitenten Stockwerkeigentümer auszuschliessen. Hierauf erhoben die Eigentümer am 23. April 2015 eine entsprechende Klage beim Kantonsgericht Nidwalden, welche am 8. April 2016 gutgeheissen wurde. Die dagegen erhobene Berufung wies das Obergericht Nidwalden am 2. April 2019 ab. Das Bundesgericht bestätigte nun mit Entscheid vom 3. März 2020 das vorinstanzliche Urteil.

Der Beschwerdeführer machte vor Bundesgericht in teils schwer verständlichen Ausführungen verschiedene formelle Fehler der Stockwerkeigentümergemeinschaft geltend, welche die Richter aus Lausanne jedoch allesamt als unbegründet abwiesen. Auch die Kritik des Beschwerdeführers, weder die Stockwerk­eigentümer noch der Verwalter hätten sich mit Beschwerden oder Vorhaltungen bei ihm gemeldet, weshalb der Ausschluss als Ultima Ratio nicht gerechtfertigt sei, wurde vom Bundesgericht verworfen. Das Bundesgericht erwog, dass das Obergericht deutlich ausgeführt habe, dass der Beschwerdeführer diversen Verpflichtungen seit über zehn Jahren nicht nachgekommen und in diesem Zusammenhang eine Vielzahl von Beanstandungen gegen ihn vorgebracht worden seien. Die Parteien seien in diesem Zusammenhang auch in mehrere Gerichtsprozesse aller Art verwickelt gewesen, was allerdings nie zu einer Besserung des Verhaltens oder gar zur Einsicht des Beschwerdeführers geführt habe. Insofern habe sich die Vorinstanz sehr wohl genügend mit der Voraussetzung der Ultima Ratio befasst und dabei erkannt, dass keiner der von der Stockwerkeigentümergemeinschaft ergriffenen, milderen Massnahmen Erfolg beschieden war.

Fazit

Der gerichtlich festgestellte Ausschluss eines Stockwerkeigentümers aus der Gemeinschaft hat aufgrund der sehr hohen zu überwindenden Hürden Seltenheitswert. Das Bundesgericht sowie die vorinstanzlichen kantonalen Gerichte haben mit ihren Entscheiden in Erinnerung gerufen, dass es durchaus möglich ist, einen Stockwerkeigentümer aus der Gemeinschaft auszuschliessen und diesen zur Veräusserung seines Anteils zu zwingen, wenn die Voraussetzungen von Art. 649b ZGB erfüllt sind.