Bau & Haus
Die Bauwirtschaft hat grossen Einfluss auf die Entwicklung unserer Gesellschaft. Besonders auf die Bereiche Ressourcenverbrauch und Umweltschutz. Dazu gehört auch der Ersatzneubau, der deutlich an Bedeutung gewinnt.
Von: Angelo Zoppet-Betschart

Ersatzneubauten als Lösungsbeitrag

Mit zukunftsgerichteten Bauweisen, neuen Technologien und dem Ersatz von veralteten, nicht mehr zeitgerechten Bauten und Gebäuden schafft die Bauwirtschaft moderne Lebensräume und kann so einen wichtigen Beitrag für Gesellschaft und Umwelt leisten. Es gibt einige zeitgemässe und gute Beispiele zur Schaffung von neuen, verdichteten und energetisch effizienten Wohn- und Arbeitswelten. Eines davon ist der Ersatzneubau, der in weiten Teilen des Landes deutlich an Bedeutung gewonnen hat. Gemäss dem neuesten Immobilien-Monitoring des Beratungsunternehmens Wüest Partner sind dabei vor allem die grossen städtischen Zentren führend. Rund die Hälfte aller neu gebauten Wohnungen sind dort Ersatzneubauten, während Neubauten auf noch unbebautem Bauland aus bekannten und naheliegenden Gründen zurückgehen. Bei der regionalen Betrachtung stechen vor allem die Regionen Zürich, Thun, Nyon und Yverdon hervor. Auch an peripheren Lagen und in mittelgrossen Zentren verzeichnet der Ersatzneubau einen deutlichen Zuwachs. Auffallend ist ebenfalls die hohe Quote in touristisch geprägten Regionen im Kanton Graubünden.

In den meisten Städten ist Bauland extrem knapp. Gemäss dem heute gültigen Raumplanungsgesetz schaffen die meisten Bau- und Zonenordnungen Raum, um bestehende Parzellen zu verdichten. In vielen Kantonen wie etwa St. Gallen, Zürich oder Zug sind Neueinzonungen von Bauland kaum noch möglich oder durchlaufen eine ausgesprochen restriktive Behandlung. Raumplanung, Richtpläne und Zonenordnungen sind heute nach der Maxime «Entwicklung nach innen» ausgerichtet. Für die Eigentümer bestehender Liegenschaften und Gebäude ist dies durchaus ein Vorteil. Auf vielen überbauten Bauparzellen mit Häusern aus den 1960er- oder 1970er-Jahren sind heute Mehrfamilienhäuser mit Stockwerkeinheiten oder Projekte mit Reihenhäusern zulässig.

Modernisierung noch immer ungenügend

Das Erneuern von alten Gebäuden lohnt sich mehrfach. Nebst dem bereits erwähnten Zuwachs an nutzbarer Fläche auf gleicher Grundfläche sind Neubauten energetisch viel effizienter als Bauten, die vor 40 bis 60 Jahren gebaut wurden. Moderne und energieoptimierte Gebäude lassen den Energieverbrauch um ein Mehrfaches senken. Es gibt Vergleiche, die den Energieverbrauch von Ersatzneubauten um das Vier- bis Fünffache senken. Bei Ersatzneubauten wird heute durchschnittlich jede abgebrochene Wohnung durch zwei neue ersetzt. Die Wohnfläche verdreifacht sich sogar. Entscheidend für generöse Ersatzneubauten ist, dass die Zonenpläne und Bauverordnungen der Städte und Gemeinden entsprechend verdichtete Bauweisen auch zulassen.

Mit der Modernisierung und Erneuerung des Gebäudeparks wird also auch in den Umweltschutz und Klimaschutz investiert. Allerdings ist die heutige energetische Erneuerungsrate von lediglich etwas über einem Prozent völlig ungenügend – sie reicht bei Weitem nicht aus. Untersuchungen zeigen, dass es fast 100 Jahre dauern würde, um alle Gebäude auf einen Standard zu bringen, der als nachhaltig genug gälte. Auch der Anteil von über 40 Prozent des Energieverbrauchs der Schweiz durch den aktuellen Gebäudepark verdeutlicht die Dringlichkeit einer Steigerung der Sanierungsrate und der Ersatzneubauten für das Erreichen der ­Klimaziele.

Vorbild Genossenschaften

Auch viele Genossenschaften setzen auf Ersatzneubauten. Ein gutes Beispiel für einen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz mittels Ersatzneubau ist das Projekt «Leimbach»› der Allgemeinen Baugenossenschaft Zürich. Eine bald hundertjährige Siedlung soll durch zwei Neubauten ersetzt werden. Dank einem Landabtausch, der eine deutlich verbesserte Ausnutzung erlaubt, schafft die Genossenschaft 70 neue Wohnungen. Bisher waren es bloss 28. Das aus einem Wettbewerb hervorgegangene Siegerprojekt sieht zwei unterschiedliche Gebäudekomplexe vor. Ein langes, niedrigeres Haus entlang der Hauptbewegungsachse des Sihltals und ein zweites, deutlich höheres Gebäude, das den Verlauf des Tales nachzeichnet, prägen das Projekt. Zwischen den Gebäuden entsteht ein linsenförmiger Innenhof, geschützt vor den Emissionen des Verkehrs. Der wertvolle, nach Süden offene Freiraum mit hoher Aufenthaltsqualität fördert die Beziehungen der Bewohner untereinander. Der Baubeginn soll noch in diesem Jahr erfolgen und der Bezug ist auf 2023 vorgesehen.

Kreislaufwirtschaft umsetzen

Ein moderner und verdichteter Gebäudepark stellt einen wichtigen Beitrag zum nachhaltigen Umgang mit der endlichen Ressource Boden dar. Schonender Einsatz aller Ressourcen und eine intelligente Kreislaufwirtschaft bieten gute und grosse Chancen für die nachhaltige Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft. Gemäss dem Lebenszyklus-Prinzip sind auch Bauwerke von der Entstehung über die Nutzung bis zum Rückbau in Kreisläufen zu realisieren. Mittel- und langfristig resultieren daraus nicht nur umweltpolitische Vorteile, sondern auch klimatechnische und wirtschaftliche. Eine innovative und verantwortungsvolle Bauwirtschaft hat trotz aller Unkenrufe immer noch eine interessante Zukunft.